Laut wikipedia bezeichnet der Begriff „Potemkinsches Dorf“ etwas, das fein herausgeputzt wird, um den tatsächlichen, verheerenden Zustand zu verbergen.
Schaut man sich die Beispiele aus unserer Geschichte an, fällt auf, dass der Begriff oftmals in Verbindung mit totalitären Staaten und Diktaturen verwendet wird. Die Kulisse, die Maske, der Schein also als politische Gestaltungspraxis.

„Potemkinsches Dorf“ ist auch der Titel verschiedener Ausstellungen des in Hamburg lebenden und arbeitenden Iraners Ehsan Soheyli Rad. In einer dieser Ausstellungen findet man einen Radioempfänger vor, der mit einer Kompilation von instrumentalen Radiojingles, die in ihrer ursprünglichen Funktion die nachfolgenden Nachrichtensendungen ankündigen, gespeist wird.

Ehsan Soheyli Rad arbeitet allerdings hauptsächlich fotografisch. Er fotografiert einen Jahrmarkt, ein Requisitenlager, eine Schaufensterfassade. Dabei wirken die Bilder irritierend oder abstrakt: durch Kadrage und Nachbearbeitung wird die Repräsentationsleistung des Bildes versperrt, der Betrachter wird in die Verlegenheit versetzt, möglicherweise den Blickwinkel der Fotokamera auf ihr Motiv nicht rekonstruieren zu können. Flächen, Farben und Texturen erfahren eine Anamorphose. Ein Ausnahmezustand wird kreiert. Die Möglichkeit auf Poesie entsteht.

Und doch korrespondiert dieser Ausnahmezustand mit unserer eigenen Wahrnehmung. Es liegt an der emblematischen Qualität der Fotografie, dass der Mensch den Menschen im Bild, wenn auch unsichtbar, immer mitdenkt. Durch Hängungen, Betitelungen und anderen Kommentarstrategien rekurriert Soheyli Rad seine ästhetischen Untersuchungen wieder auf die (soziale, politische, etc.) Realität.

Björn Last